Schreiben oder nicht schreiben - das ist hier die Frage

Ich habe heute zwei Rezensionen entdeckt, die mich echt traurig gestimmt haben. Es geht um "Das Tier", das Gemeinschaftsprojekt mit Sandra Gernt, das mir persönlich besonders am Herzen lag.

Besonders getroffen hat mich die Bemerkung, ich möge mir mehr Zeit für ein neues Buch nehmen.

Mit einem Buch verbringe ich 24 Stunden am Tag. Und das, bis es meiner Meinung nach fertig ist. Wieviel mehr Zeit geht denn noch? In Gedanken stricke ich Dialoge, mache zwischen der Hausarbeiten Notizen und mein Männchen würde einen Schock bekommen, sollte ich ihm jemals so viel Zeit widmen, wie eines meiner Skripte. Selbst beim Einschlafen grübel ich noch über die Protas nach.

Dass meine/unsre Charaktere nicht jeden glücklich machen ist eine andere Sache. Das nennt man Geschmack. Dem einen liegt es, dem anderen nicht.

Dass einer der Protas immer weibisch ist, kann ich überhaupt nicht finden. In "Ein Hauch von Seele" sind sowohl Zedrik als auch Jeremy aufopferungsvolle Kämpfer; in "Der 7. Rabe" haben sich zwei ebenbürtige Jungs getroffen und auch Thars und Cyrian halten ich für einander gleichwertig.

Ich halte es für ziemlich weltfremd, wenn man von Männern denkt, dass die niemals ein Tränchen vergießen, nicht mit Bambi mitleiden, wenn die Mama erschossen wird und nicht einmal zärtlich sein können. Wenn ich daran denke, was hier los war, als mein Hase einmal eine lebende Maus verfüttert hat und er deswegen tagelang ein schlechtes Gewissen hatte ... Hey, und mein Männchen ist ein beinharter Kerl!

Schlimm auch der Hunger nach Grausamkeiten. Wem Kerker, Folter, Vergewaltigung, Demütigungen und Prügel nicht genug ist, der möge bitte unsere Bücher nicht weiter lesen. Mit solche Szenen tue ich mich ohnehin schon schwer, noch härter zu werden widerspricht meiner moralischen Einstellung. Bzgl. "Herbstfraß" haben mein Verleger und ich lange überlegt, ob wir das Buch überhaupt herausbringen. Was hat es mir eingebracht? Rezis wie "muss man einen starken Magen haben" und "Brutal und grausam und nicht erotisch". Diese Meinungen sind verdient und ich gebe den Lesern hier sogar recht. Aber lautstark nach solchen Szenen verlangen???

 

Liebe Alice, es tut mir nicht leid, dieses Buch geschrieben zu haben. Ich hatte offenbar mehr Spaß daran, als du als Leser. Schade, dass wir dich enttäuscht haben. Aber Sandra und ich schreiben Gay-Romance, keine Psychothriller oder Horrorstorys. Und in diesem Genre würden wir gerne bleiben.

Wir nehmen uns jede Rezi sehr zu Herzen, was zur Folge hat, dass ich meine Mentorin jetzt seelisch wieder aufbauen muss, sobald ich mein eigenes Selbstwertgefühl von dem harten Boden dieser Kritik aufgekratzt habe, denn Sandra ist kurz davor unser nächstes Projekt zu schmeißen - und nicht nur das. Damit gäbe es zumindest kein weiteres Buch, das noch schlechter wird, als die bisherigen es waren.

Und jetzt nehme ich mir eine Auszeit, gehe stricken oder lese wieder mal selbst ein Buch. Oder zähle die Garnelen in meinem Aquarium. Oder gehe den Äquator polieren. Irgendetwas in dieser Richtung.